Der 900er Vergleich - Drei Modelle mit drei unterschiedlichen Leistungsangaben

Ab Modelljahr 2018 bietet Kawasaki den 948ccm großen Vierzylinder in gleich drei verschiedenen Leistungsvarianten an: Z900 (125PS), Z900RS (111PS) und Z900D (95PS).


Doch die Basis ist immer die gleiche, und vor allem bei der RS taucht vor allem im Netz immer wieder die Frage auf, „warum hat Kawasaki die gedrosselt"? Klar, die Z900D muss das Reglement für die 35kW-Basis der Neueinsteiger erfüllen, aber wieso hat auch die RS andere Leistungsangaben? Und heißt weniger Leistung auch weniger Fahrspaß? Oder am Ende sogar mehr?


Für uns war das Grund genug, die drei Leistungsvarianten mal direkt miteinander zu vergleichen, und siehe da: Power haben alle drei! Ob im Sprint von Null, oder beim Elastizitäts-Check in den Gangstufen 2-5, die drei Schwestern bleiben fast immer gleich auf. Bei der Höchstgeschwindigkeit hat die 125PS-Z900 die Nase vorne, aber beim Rausbeschleunigen aus engen Kehren überholt die RS ihre eigentlich stärkere Schwester sogar - Doch wie kommt das? Die Profi-Testfahrer der Socialmedia-Stammtische haben doch bereits im Winter bei einer schnellen Runde über das Datenblatt was ganz anderes festgestellt!


Rein äußerlich unterscheiden sich die Motoren nicht, mal abgesehen von den Retro-Design-Elementen bei der RS. Innen drin steckt aber 3x unterschiedliche Hardware. Vor allem im Kopf. Die Steuerzeiten sind unterschiedlich, aber auch z.B. die Ausführungen der Krümmer variieren stark. Wichtig: Primärübersetzung und Getriebestufen 2-5 sind identisch, verfälschen also nicht den Vergleich. Sogar der Endantrieb ist bei den beiden Supernakeds gleich, und die RS kommt sogar noch mit einem um zwei Zähne "längeren" Kettenrad daher. Wieso zum Kuckuck fährt sie dann aber subjektiv druckvoller als ihre 14PS stärkere Schwester?


Bei der Konstruktion und Abstimmung eines Verbrennungsmotors kann man den Fokus entweder mehr auf maximales Drehmoment oder mehr auf maximale Leistung richten. Je nach Einsatzzweck mal das eine, oder mal das andere von Vorteil. Eine für hohe Geschwindigkeiten konstruierte ZX-10R ist auf der Rennstrecke einer nahezu gleich groß behubraumten Z1000 klar überlegen. Auf kurvigen Landstraßen, wo die Z1000 in ihrem besten Drehmomentfenster unterwegs ist, hat sie dagegen das Nachsehen.


Und der Blick in die technischen Daten der aktuellen 900er-Modelle verrät, die RS hat zwar 14PS weniger Höchstleistung, diese aber schon 1.000 Umdrehungen früher. Und vor allem das maximale Drehmoment ist quasi identisch, liegt aber um satte 1.200 Umdrehungen früher an. Der subjektiv höher empfundene Druck in den mittleren Drehzahlen ist also tatsächlich auch vorhanden. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit der "Z900 70kW", also der Z900D. Das Reglement für 35kW-Umrüstungen fordert eine Basis von maximal 70kW. Nun ist Kawasaki aber nicht den Weg der reinen Umprogrammierung gegangen, sondern hat, ähnlich wie bei der RS, die Peripherie der 948 Kubikzentimeter so verändert, dass die meisten der zu vielen PS nicht einfach eliminiert, sondern in mehr Drehmoment verwandelt wurden.


Und das Drehmoment ist am Motorrad das, was dem Fahrer die Arme lang zieht. Klar hat die Leistung, also die PS-Zahl auch was mit der subjektiv empfundenen „Kraft“ zu tun, aber sie ist nur ihr Multiplikator: Leistung = Arbeit x Zeit. Anders formuliert: PS = Drehmoment x Drehzahl. Da bei kurvigen Landstraßen zum schaltfreien Rausbeschleunigen aber selten die Drehzahlen im oberen Grenzbereich gewählt werden, und das Drehmoment in den mittleren Drehzahlen bei der RS und bei der Z900D früher anliegt, hat man keine Mühe an der 125PS-Version dran zu bleiben. An diversen 160 und 200PS-Bikes im Übrigen auch nicht.


Und welche ist nun die richtige für welchen Fahrer? Nun die RS ist ganz klar über ihre eigene Fahrzeugkategorie definiert, und für A2-Führerscheininhaber kommt ohnehin nur die 70kW-Variante in Frage. Für alle anderen gilt: Ausprobieren, welche Motorcharakteristik am besten zu einem passt. Ein grinsen ins Gesicht zaubern alle drei.